Dänemark verändert mit Spilpakken 1 sein Glücksspielsystem und geht so ein hohes Risiko ein
Mit dem Reformpaket Spilpakken 1 hat Dänemark eine der umfassendsten Änderungen seiner Glücksspielregulierung seit Jahren beschlossen. Die Regierung verfolgt das Ziel, Werbung und Boni zu begrenzen, um Verbraucher besser zu schützen.
Ein tiefgreifender Kurswechsel
Die wichtigsten Maßnahmen umfassen ein vollständiges Verbot von Wettwerbung während Live-Sportübertragungen, strengere Auflagen für Außenwerbung und eine deutliche Einschränkung von Free-to-Play-Boni.
Diese Reformen markieren einen Wendepunkt für ein Land, das bisher als Vorbild für pragmatische Glücksspielpolitik galt. Über ein Jahrzehnt lang kombinierte Dänemark strenge Regulierung mit marktwirtschaftlicher Offenheit. Das Gleichgewicht zwischen Schutz und Wettbewerb war ein zentrales Erfolgsrezept und sorgte für hohe Kanalisierungsraten.
Politische Motivation und gesellschaftlicher Druck
Die dänische Steuerministerin Ane Halsboe-Jørgensen von den Sozialdemokraten spricht von einem notwendigen Schritt, um die Bevölkerung besser zu schützen. Ihr Ziel sei es, zu verhindern, dass Unterhaltung zur Sucht werde. Bei der Präsentation des Pakets erklärte sie:
„Dies ist der Beginn einer Abrechnung mit einer Industrie, die zu lange zu viel Raum eingenommen hat.“
Zahlen belegen die Dringlichkeit des Themas. Laut Regierungsdaten litten im Jahr 2021 rund 500.000 dänische Erwachsene in unterschiedlichem Maß an Glücksspielproblemen.
Das entspricht einer Verdopplung seit 2016. Etwa 30.000 Personen sind schwer betroffen. Auch 25.000 Kinder und Jugendliche zeigen Anzeichen von problematischem Spielverhalten. Jan E. Jørgensen von der liberalen Partei Venstre begrüßte die Einigung als wichtigen Schritt:
Wir schützen unsere Kinder und Jugendlichen künftig deutlich besser vor Werbung für Glücksspiele.“
Branche zeigt sich alarmiert
In der Glücksspielindustrie stoßen die neuen Regeln auf massiven Widerstand. Morten Rønde, Direktor des Branchenverbands Spillebranchen, zeigte sich entsetzt.
„Ich bin, gelinde gesagt, schockiert. Es gibt keine Hinweise darauf, dass diese Änderungen die Spielsucht verringern werden.“
Rønde warnt davor, dass die Maßnahmen überhastet und nicht wissenschaftlich fundiert seien. Er betont, dass das bisherige dänische Modell gerade wegen seiner Ausgewogenheit erfolgreich gewesen sei.
Die Regulierungsbehörde habe stets offen kommuniziert, jedem Betreiber feste Ansprechpartner zugewiesen und so Vertrauen geschaffen. Dieses System habe die Branche über Jahre stabilisiert.
Nach Ansicht vieler Branchenvertreter gefährdet das Werbeverbot während Live-Sportübertragungen die Sichtbarkeit der legalen Anbieter. Werbung sei bisher das wichtigste Mittel gewesen, um Spieler im lizenzierten Markt zu halten. Rønde erklärt:
„Wenn legale Betreiber nicht mehr werben dürfen, verlieren sie ihren Wettbewerbsvorteil. Dann bleibt nur noch das staatliche Regulierungslogo auf der Webseite.“
Die Sorge ist, dass Spieler vermehrt auf unregulierte Angebote ausweichen. Länder wie Italien oder die Niederlande hätten nach strengen Werbeverboten ähnliche Entwicklungen erlebt. In beiden Fällen nahm der Schwarzmarkt stark zu, sodass Italien Teile des Verbots inzwischen wieder aufgehoben hat.
Zahlen von H2 Gambling Capital belegen den Trend. Dänemarks Kanalisierungsrate ist von rund 90 Prozent im Jahr 2022 auf 72 Prozent gefallen – ein deutlicher Rückgang. Damit bewegt sich das Land auf dem Niveau Schwedens. Branchenkenner sehen darin ein Alarmsignal, da weniger Spieler auf lizenzierte Plattformen zurückgreifen.
Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen sind erheblich. Der Fernsehsender TV2, der Spiele der dänischen Superliga überträgt, rechnet mit jährlichen Einnahmeverlusten von bis zu 12 Millionen Euro. Für den Staat selbst wird mit Steuerausfällen in dreistelliger Millionenhöhe gerechnet.
Fehlende Maßnahmen gegen illegale Anbieter
Trotz der umfassenden Regulierung bemängelt die Branche, dass konkrete Strategien gegen illegale Glücksspielplattformen fehlen. Das illegale Glücksspiel nehme weiter zu und verdränge zunehmend den legalen Markt. Rønde kritisiert:
„Es gibt keine Initiativen, die dort ansetzen, wo sich junge Männer tatsächlich aufhalten. Wir haben einen freiwilligen Verhaltenskodex eingeführt, die Zusammenarbeit mit problematischen Influencern beendet und eine Beschwerdestelle für Glücksspielwerbung geschaffen.“
Die Industrie habe mehr für Transparenz und Verantwortung getan, als das Gesetz verlange.
Ein Markt am Scheideweg
Mit Spilpakken 1 steht Dänemark vor einer Zäsur. Befürworter sehen in der Reform einen überfälligen Schritt zum besseren Schutz der Verbraucher. Kritiker warnen dagegen vor einer Überregulierung, die die Balance zwischen Schutz und Marktfunktion zerstören könnte.
Ob Dänemark seinen Platz als europäisches Vorbild behaupten kann oder denselben Weg wie andere Länder mit sinkender Kanalisierung und wachsendem Schwarzmarkt geht, wird sich nach Inkrafttreten der Maßnahmen im Januar 2027 zeigen.
Quellen



