Ein ausgeklügeltes Einzahl- und Auszahlungsschema bringt die griechischen Ermittler in Bewegung
In Griechenland arbeitet die Unabhängige Behörde für Geldwäschebekämpfung an der Aufklärung eines weitreichenden Verdachtsfalls im Umfeld legaler Online-Glücksspielangebote.
Ausgangspunkt: Alarm der Finanzaufsicht und erste Spur
Den Anstoß gaben Hinweise der Finanzaufsicht, die Unstimmigkeiten bei Zahlungsströmen registrierte. Im Zentrum der Ermittlungen stehen mehr als 200 Personen, denen vorgeworfen wird, Bargeld an Kontrollen vorbeigeschleust zu haben, indem sie legale Wettkonten als Zwischenstation nutzten.
Die Behörde agiert unter Leitung von Charalambos Vourliotis, Ehrenstaatsanwalt am Obersten Gerichtshof, der nach eigenen Angaben umgehend Maßnahmen ergriff, um die Legitimierung unklarer Mittel zu unterbinden.
Rekonstruiert wurde ein modularer Prozess, der die Trennung zwischen Bargeld und digitalen Transaktionen ausnutzt. Zunächst eröffneten die Beteiligten ein verifiziertes Nutzerkonto bei einem regulierten Online-Wettanbieter.
Mit der Freischaltung erhielten sie einen persönlichen Einzahlcode, über den Gelder zugeordnet werden konnten. Statt klassischer Banktransfers wählten die Beschuldigten den Bargeldweg: Über Agenten – also Kioske, Minimärkte und Tankstellen – wurden teilweise hohe Beträge entgegengenommen und unter Nennung des Codes direkt auf das Wettkonto gebucht.
In einem letzten Schritt veranlassten die Nutzer Auszahlungen auf eigene Bankkonten. Buchhalterisch erschienen die Beträge somit als Glücksspielgewinne. Das Ergebnis beschreiben Berichte als Gelder, die „mit einem Mantel der Legalität versehen“ wurden.
Der Erfolg des Konstrukts hing an einer Regelungslücke: Online initiierte Einzahlungen werden ab vordefinierten Schwellen automatisiert geprüft. Bar-Top-Ups an physischen Verkaufsstellen waren hingegen ohne systematische Herkunftskontrolle möglich.
Damit entstand eine asymmetrische Prüfarchitektur, die die Konvertierung von Bargeld in digitale Guthaben erleichterte. In Summe ist von „Bargeld in Millionenhöhe“ die Rede, das so in den regulären Zahlungsverkehr gelangt sein soll.
Beteiligte Akteure und Volumina
Die Ermittlungen betreffen über 200 Verdächtige; darunter befinden sich nach Behördenangaben Führungskräfte des öffentlichen Dienstes, etwa Ministerialdirektoren und Leiter von Dienststellen.
Die eingesetzten bzw. ausgezahlten Summen ließen sich in zahlreichen Fällen nicht mit den gemeldeten Einkommen in Einklang bringen. Pro Person reichen die registrierten Transaktionen von 100 Euro bis hin zu 1.000.000 Euro.
Parallel kursieren zwei Größenordnungen: Einerseits ein Prüfvolumen von rund 1 Mio. Euro, das die Behörde aktuell konkret beziffert, andererseits die übergeordnete Schätzung, dass insgesamt Millionenbeträge bewegt worden sein könnten.
Als Transaktionsinfrastruktur dienten etwa zehn in Griechenland lizenzierte Anbieter bzw. systematische Wettbüros. Ein unmittelbarer Tatverdacht gegen diese Unternehmen besteht derzeit nicht. Gleichwohl wirft der Fall Fragen nach Kontrollmechanismen auf.
Dies gilt speziell dort, wo legale Wettplattformen mit Dienstleistern kooperieren, die Agentennetze in Tankstellen, Kiosken und kleinen Läden betreiben. Diese indirekten Vertriebsketten sind aus Compliance-Sicht anspruchsvoll, weil sie außerhalb klassischer Finanzinstitute verankert sind.
Wie die Ermittler das Muster enttarnten
Der Fall kam über Routineabgleiche ans Licht. Die Behörden verglichen Geldflüsse auf Wettkonten mit Steuerdaten der jeweils Betroffenen. Zahlreiche Diskrepanzen fielen auf: Transaktionssummen lagen deutlich über den Monatsverdiensten einzelner Akteure.
Daraufhin erstellte das spezialisierte Team der Geldwäschebehörde finanzielle Profile, setzte Einzahlungen, Auszahlungen und Einkommen in Beziehung und verfolgte über Monate die Spur der Bargeldzuflüsse.
Nach Darstellung der Behörde gelang es, unbekannte Aspekte zu beleuchten und eine riesige Lücke zu identifizieren, die es erlaubte, über legale Wetten Schwarzgeld zu waschen.
Aufsichtliche Reaktionen und Sofortmaßnahmen
Die Glücksspielaufsichts- und Kontrollkommission (EEEP) wurde formell informiert, um aufsichtsrechtliche Gegenmaßnahmen zu prüfen. Parallel habe Vourliotis den Weg für die Legalisierung von Geldern gesperrt, deren rechtmäßige Herkunft zurzeit überprüft werde.
Ziel sei es, genau jene Nahtstellen zu adressieren, an denen Bargeld in digitale Systeme überführt wird, beispielsweise durch Identitätsprüfungen bei Bar-Top-Ups, schärfere Meldepflichten für Agenten sowie eine engere Rückverfolgung der Einzahlcodes.
Im Raum steht der Vorwurf der Geldwäsche. Bei gerichtlicher Feststellung drohen empfindliche Geldstrafen bis hin zu Haftstrafen. Zugleich gilt der Hinweis, dass es sich um laufende Ermittlungen handelt. Die endgültige Größenordnung des Falls und die individuellen Verantwortlichkeiten werden erst das weitere Verfahren klären.
Bedeutung für Markt und Regulierung
Unabhängig vom strafrechtlichen Ausgang formuliert der Fall eine grundsätzliche Lehre für regulierte Glücksspielmärkte: Bargeldbasierte Einzahlwege über nicht-finanzielle Verkaufsstellen sind eine Schwachstelle, wenn Prüftiefe und Transparenz nicht der Strenge des Online-Zahlungsverkehrs entsprechen.
Anbieter und Aufsicht müssen die Schnittstellen zwischen Agenten, Dienstleistern und Plattformen enger fassen, etwa durch Schwellenwerte mit Echtzeit-Checks, verbindliche Reporting-Prozesse und durchgängige KYC-/AML-Verknüpfungen vom Point of Cash bis zur Bankauszahlung.
Für die legale Glücksspiel-Branche bedeutet das, operative Prozesse und Partnernetzwerke so auszurichten, dass unter dem Radar des Gesetzes künftig kein Raum bleibt.
Quellen


