Die Universität Hohenheim kritisiert die Werbung der Wettanbieter während der EM 2024
Die Studie der Universität Hohenheim, die sich mit der Glücksspielwerbung während der Fußball-Europameisterschaft 2024 befasst, sorgt für Schlagzeilen. Sie kommt zu dem Schluss, dass Wettanbieter während der EM bis zu 15 Minuten pro Spiel für Werbung genutzt haben und dass dies ein ernstzunehmendes gesellschaftliches Problem darstelle. Doch wie aussagekräftig ist diese Untersuchung wirklich? Kritiker bemängeln eine einseitige Darstellung sowie mangelnde Differenzierung zwischen legalen und illegalen Anbietern.
Sportwetten gehören zum Fußball – ein natürlicher Bestandteil der Branche?
Die Studie spricht von einer „Werbeflut“, die Fans unweigerlich in die Welt der Sportwetten ziehe. Doch ist dies wirklich der Fall? Oder wird hier mit überzogenen Formulierungen versucht, eine politische Agenda zu unterstützen?
Fußball und Sportwetten haben eine lange gemeinsame Geschichte. Schon lange bevor Online-Wettanbieter aufkamen, waren Wetten ein fester Bestandteil des Sports. Kritiker der Studie argumentieren, dass Sportwetten ebenso wie Bierwerbung oder Autowerbung einfach Teil der kommerzialisierten Fußballwelt sind.
Die Universität Hohenheim kritisiert besonders die Präsenz von Werbung auf Stadionbanden und in den sozialen Medien. Doch handelt es sich dabei tatsächlich um eine besonders aggressive Werbestrategie? Viele Branchenkenner weisen darauf hin, dass die Werbezeiten für Sportwetten nicht höher seien als für andere Produkte und Dienstleistungen, die während der EM beworben wurden.
Zudem wird in der Studie nicht klar zwischen lizenzierten Anbietern und illegalen Plattformen unterschieden. Während legale Wettanbieter durch den deutschen Glücksspielstaatsvertrag reguliert werden und sich an Jugendschutzbestimmungen halten müssen, operieren illegale Anbieter oft außerhalb dieser Gesetze – ein Aspekt, den die Studie weitgehend ignoriert.
Einseitige Darstellung der finanziellen Verluste
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Berechnung der „Verluste“ der Wettenden. Die Universität Hohenheim betont, dass Spieler in Deutschland jährlich mehr als 1,4 Milliarden Euro verlieren. Doch diese Darstellung lässt einen wichtigen Punkt außer Acht: Ein „Verlust“ im Glücksspiel ist nicht automatisch ein finanzielles Problem für den Spieler.
Viele Menschen sehen Sportwetten als Freizeitbeschäftigung und setzen bewusst nur geringe Beträge ein – ähnlich wie bei anderen Unterhaltungsangeboten wie Kinobesuchen oder Konzerten. Zudem gibt es auch zahlreiche Spieler, die Gewinne erzielen, was in der Studie völlig unerwähnt bleibt.
Kritiker werfen den Autoren der Untersuchung vor, absichtlich nur die negativen Aspekte der Wettbranche zu beleuchten, um ein möglichst dramatisches Bild zu zeichnen. Die zentrale Frage lautet: Spiegelt die Studie tatsächlich die Realität wider oder verfolgt sie primär eine politische Agenda zur Verschärfung der Werberichtlinien?
100-mal mehr Werbung als Prävention – eine fragwürdige Zahl?
Besonders häufig zitiert wird die Aussage, dass 100-mal mehr Geld in Glücksspielwerbung fließt als in Präventionsmaßnahmen. Doch wie genau wurde diese Zahl ermittelt?
Während Wettanbieter ihre Werbung eigenfinanziert betreiben und dabei marktübliche Werbekosten zahlen, sind staatliche Präventionsmaßnahmen oft Teil größerer Gesundheitsbudgets und nicht explizit auf Glücksspielsucht fokussiert. Zudem bleibt unklar, welche Kosten genau als „Prävention“ gewertet wurden – beinhaltet dies etwa nur staatliche Programme oder auch private Aufklärungsmaßnahmen der Wettanbieter selbst?
Viele Experten argumentieren zudem, dass eine exzessive staatliche Prävention in einem legal regulierten Markt nicht notwendig ist. In Deutschland sind Wettanbieter an strenge Vorgaben gebunden, darunter Limits für Spieleinsätze, Identitätsprüfungen und Selbstausschluss-Programme. Die Frage ist also: Besteht tatsächlich ein Mangel an Schutzmechanismen oder wird die Situation von der Studie dramatisiert?
Wie aussagekräftig ist der Zusammenhang zwischen Werbung und Spielsucht?
Ein weiteres fragwürdiges Argument der Studie ist die angebliche Korrelation zwischen Glücksspielwerbung und steigenden Zahlen von Spielsüchtigen. Tatsächlich sollen laut dem mittlerweile in der Kritik stehenden Glücksspielatlas 2023 1,3 Millionen Menschen in Deutschland von einer Glücksspielstörung betroffen sein, doch die entscheidende Frage bleibt: Ist Werbung wirklich der Hauptfaktor für ihre Sucht?
Spielsucht ist ein komplexes psychologisches Phänomen, das von zahlreichen Faktoren beeinflusst wird – darunter persönliche Veranlagung, soziale Umstände und individuelle finanzielle Situationen. Die Studie der Universität Hohenheim suggeriert jedoch, dass mehr Werbung automatisch zu mehr Spielsüchtigen führt – eine Annahme, die wissenschaftlich nicht eindeutig belegt ist.
Einseitige politische Forderungen als Ziel der Studie?
Die Universität Hohenheim fordert gemeinsam mit dem Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert strengere Werberichtlinien für Sportwetten. Doch ist eine Einschränkung der Werbung wirklich die Lösung?
In anderen Ländern, die striktere Werbebeschränkungen eingeführt haben, zeigt sich ein gemischtes Bild. In Italien beispielsweise ist Glücksspielwerbung seit 2019 verboten – dennoch gibt es dort weiterhin eine hohe Zahl an Spielern, die auf nicht regulierte Plattformen ausweichen.
Ein pauschales Werbeverbot könnte dazu führen, dass Spieler vermehrt auf illegale Anbieter außerhalb der EU zurückgreifen, die keinerlei Schutzmaßnahmen oder Selbstsperrmechanismen bieten.
Ist die Studie wirklich neutral?
Die Untersuchung der Universität Hohenheim liefert wichtige Einblicke in das Werbeverhalten der Wettanbieter, doch ihre Schlussfolgerungen müssen kritisch hinterfragt werden.
- Sie betrachtet einseitig nur die negativen Aspekte des Glücksspiels, ohne auf die Realität vieler verantwortungsbewusster Spieler einzugehen.
- Es wird nicht unterschieden zwischen legalen, regulierten Anbietern und illegalen Plattformen.
- Die behauptete Korrelation zwischen Werbung und Spielsucht ist wissenschaftlich nicht eindeutig bewiesen.
- Die Forderung nach strengen Werbeeinschränkungen könnte dazu führen, dass Spieler vermehrt auf unkontrollierte, illegale Anbieter ausweichen.
Statt pauschale Werbeverbote zu fordern, sollte die Debatte differenziert geführt werden: Wie kann ein verantwortungsvoller Umgang mit Sportwetten gefördert werden, ohne gleichzeitig das legale Glücksspielgeschäft unnötig zu kriminalisieren?
Die Diskussion über Sportwetten bleibt komplex – doch eines steht fest: Die Studie der Universität Hohenheim sollte nicht ungeprüft als ultimative Wahrheit betrachtet werden.
Quelle
Bildquelle