MV macht ernst: Bundesratsinitiative verlangt 18+-Zugang, Transparenzpflichten & Warnhinweise für Lootboxen
Mecklenburg-Vorpommern erhöht den Druck in der Debatte um jugendgefährdende Monetarisierungsmechaniken in Videospielen. Nach dem Beschluss des Landeskabinetts am 2. September 2025 legte Gesundheits- und Sozialministerin Stefanie Drese (SPD) die Eckpunkte einer Bundesratsinitiative am 16. September 2025 auf der Landespressekonferenz (Pressemitteilung Nr. 235) gemeinsam mit Birgit Grämke, Geschäftsführerin der Landeskoordinierungsstelle für Suchtthemen (LAKOST), öffentlich vor.
Zufall, Bezahlung, Belohnungsversprechen
Die Einbringung in den Bundesrat ist für den 26. September 2025 vorgesehen. Ziel ist, Kinder und Jugendliche besser vor glücksspielähnlichen Mechanismen in Games zu schützen, allen voran vor Lootboxen.
Im Fokus stehen Lootboxen – virtuelle Schatztruhen, deren zufallsbasierte Inhalte oftmals schnelleres Vorankommen, besondere Spielfiguren oder seltene Ausrüstungsgegenstände versprechen.
Finanziert werden sie in der Regel per In-App-Kauf oder über den Umtausch von echtem Geld in spieleigene Währungen. Kritisiert wird seit Jahren, dass das Prinzip Belohnung gegen Einsatz bei unbekanntem Ausgang Glücksspielmechanismen imitiert und so wiederholte Kaufimpulse begünstigt – besonders bei Minderjährigen.
Der Regulierungsvorschlag: 18+, Transparenz und Warnhinweise
Die Initiative aus Schwerin setzt auf eine Harmonisierung des Glücksspielrechts mit dem Jugendschutzrecht, um Lootboxen im Sinne des Kinder- und Jugendrechts rechtsverbindlich regulieren zu können. Vorgesehen sind vier zentrale Bausteine:
- Altersverifikation ab 18 Jahren für alle Spiele, die Lootboxen enthalten.
Drese: „…und wir regen auch eine verbindliche Altersverifikation ab 18 Jahre für alle Spiele an, die Lootboxen beinhalten.“
- Transparenzpflichten: Offenlegung der Gewinnwahrscheinlichkeiten und Vorab-Benennung der möglichen Inhalte einer Lootbox.
- Verbindliche Warnhinweise vor Glücksspielgefahren, analog zur Lotto-Werbung.
- Prävention durch Bildung: Lehrpläne zur Medienbildung sollen Lootboxen und Pay-2-Win-Mechanismen systematisch behandeln.
Drese betont, der Vorstoß richte sich nicht gegen Gaming an sich: Digitale Spiele seien aus der Lebenswelt junger Menschen nicht mehr wegzudenken. Es gehe jedoch darum, dass Spielen zeitlich begrenzt und kindgerecht bleibe und Regeln, die im echten Leben selbstverständlich seien, auch im Netz gelten.
Frühe Zahlungen, spätere Risiken
Die Ministerin verweist auf empirische Hinweise, die einen Zusammenhang zwischen frühem Geldeinsatz in Spielen und späteren problematischen Verhaltensweisen nahelegen bis hin zu Spielsucht und Überschuldung. Wörtlich sagte Drese:
„In der digitalen Welt ist weitestgehend akzeptiert, dass glücksspielähnliche Mechanismen zum Spielerlebnis dazugehören. Es ist daher für mich wenig überraschend, dass laut einer Studie der Universität Graz mehr als 40 Prozent der 10- bis 19-jährigen In-Game-Käufe tätigen, mit teilweise fatalen Folgen.“
Die aus Sicht der Landesregierung niedrigen Einstiegshürden und die permanente Verfügbarkeit solcher Angebote verstärken diese Dynamiken.
Fachperspektive der Suchtprävention: „Modern verpacktes Glücksspiel“
Birgit Grämke (LAKOST) ordnet Lootboxen als modern und jugendgerecht verpackte Form von Glücksspiel ein, weil der Inhalt per Zufall bestimmt sei und Nutzer immer wieder zum Bezahlen verleitet würden. Besonders problematisch sei, dass Lootboxen rund um die Uhr erreichbar sind. Grämke erklärt weiter:
„Insbesondere Jugendliche durchschauen das perfide Spiel der Industrie am schwierigsten und glauben schneller als Erwachsene, dass das Glück mit dem nächsten Kauf zum Greifen nah ist.“
Vor diesem Hintergrund argumentiert sie auch neurobiologisch: Die Reifung des menschlichen Gehirns sei erst kurz nach der Volljährigkeit abgeschlossen – ein zusätzlicher Grund für robuste Schutzmechanismen.
USK verschärft Einstufung bei „EA Sports FC 24“
Die Debatte spiegelt sich bereits in Einstufungsentscheidungen wider. Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) hob die Altersfreigabe von EA Sports FC 24 (ehemals FIFA) von ohne Altersbeschränkung auf ab 12 Jahren an. Auslöser seien Mechaniken, die Kaufdruck fördern.
Dazu gehören unübersichtliche In-Game-Shops, käufliche Spielvorteile (Pay-2-Win-Mechanismen)“ sowie aufdringliche Hinweise, dass ein Angebot bald ablaufe. Der Fall illustriert, wie monetäre Spielsysteme die Nutzungs- und Kaufdynamiken gerade bei jüngeren Zielgruppen beeinflussen können.
In Belgien und den Niederlanden gelten Lootboxen seit 2018 als illegales Glücksspiel. Anbieter mussten ihre Spiele für diese Märkte anpassen. Aus Sicht der Initiatorinnen zeigt dies, dass striktere Regulierung technisch und organisatorisch umsetzbar ist und liefert einen Referenzrahmen für mögliche deutsche Regeln.
Starker Zuwachs bei Spieleausgaben
Die wirtschaftliche Bedeutung des Sektors wächst dynamisch. Die Ausgaben in Deutschland für Games-Käufe, In-Game- und In-App-Käufe stiegen von knapp 3,5 Milliarden Euro (2019) auf 5,5 Milliarden Euro (2022). Der anhaltende Marktausbau erhöht aus Sicht der Landesregierung die Dringlichkeit, klare Leitplanken für jugendaffine Monetarisierungsmodelle zu setzen.
Mit der Einbringung des Antrags am 26. September 2025 will Mecklenburg-Vorpommern die bundesweite Regulierung von Lootboxen anstoßen. Der politische Pfad zielt auf Transparenzregeln, altersbezogene Zugangsbeschränkungen und verbindliche Warnsysteme verbunden mit breiter Aufklärung in Schulen.
Das erklärte Ziel: Minderjährige wirksam schützen, Kaufdruck reduzieren und Glücksspielrisiken im digitalen Raum sichtbar machen, ohne die Freizeitkultur Gaming pauschal zu stigmatisieren.
Quelle & Bildquelle
Mecklenburg-Vorpommern Ministerium für Soziales, Gesundheit und Sport



